Präsens – Gegenwart oder doch nicht?

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Juli 13

Vielleicht fragst du dich gerade Warum schreibt man einen ganzen Artikel über so ein einfaches Thema? Dabei geht es doch um nichts anderes als eine Gegenwartsform1!“ Bevor du denkst, dieser Artikel wäre nichts Wichtiges für dich, weil du ja in der deutschen Grammatik schon ein Profi bist – hab’s nicht so eilig. Denn dieses Thema scheint nur auf den ersten Blick so eintönig2 zu sein. In Wirklichkeit verbergen sich hinter dem Präsens viele Besonderheiten, von denen du wahrscheinlich noch nicht gehört hast. Lass uns das schnell ändern!

Was ist Präsens für eine Zeitform?

Das ist eine sehr gute Frage, über die in der deutschen Sprachwissenschaft3 schon seit Jahren diskutiert wird. Wie bitte? Was gibt’s denn schon über Präsens zu diskutieren? Die Zeitform ist doch total einfach zu verstehen und hat doch die eindeutigste Bedeutung, die eine Zeitform je haben kann – es geht um Hier und Jetzt, um die Gegenwart. Ein paar Dinge kann ich dir jetzt schon verraten: Präsens steht nicht nur für die Gegenwart!

Lass uns doch mal ein bisschen über die Zeit nachdenken: Was ist das überhaupt? Eine Stunde? Ein Tag? Ein Punkt oder vielleicht ein Abschnitt? In der Wissenschaft gibt es viele Vorschläge, wie die Zeit definiert werden könnte. Um sie alle vorzustellen, würde dieser Artikel gar nicht ausreichen! Deshalb lass uns mal mit nur einer Definition begnügen4, die zum Thema „Präsens“ passt: Zeit läuft permanent und man kann sie nicht unterbrechen. Sie erstreckt sich von der Vergangenheit bis hin in die Zukunft über die Gegenwart.

Aber was bedeutet das Wort „Präsens“ überhaupt? Darunter versteht man genau das, was wir alle über diese Zeitform schon längst wissen: vom Lateinischen übersetzt bedeutet Präsens „gegenwärtige Zeitform“.

In der Einleitung oben habe ich dir versprochen zu zeigen, warum die Zeitform Präsens so besonders ist. Es gibt mindestens zwei Dinge, die ich für ungewöhnlich halte und die ich dir gerne zeigen möchte.

präsens zeitform sanduhr
In diesem Moment liest du diese Bildüberschrift – im Präsens!

1. Präsens ist nicht nur eine Gegenwartsform

Präsens ist gleich Gegenwart? Von wegen5! Wusstest du, dass man das Präsens verwendet, um auch andere zeitliche Verhältnisse auszudrücken?

  • In erster Linie drücken wir mit dem Präsens Ereignisse in der Gegenwart aus. Das ist auch die Hauptbedeutung. Ein Beispiel: Ich koche (gerade) für meine Kinder. Ereignisse können dabei bereits in der Vergangenheit angefangen haben und in die Gegenwart oder sogar in die Zukunft reichen: Seit fünf Minuten versuche ich zu schlafen.
  • Die nächste Präsensform nennt man futuristisches Präsens. Dabei verwenden wir Präsens, wenn wir über zukünftige Ereignisse sprechen. Warum benutzt man Präsens statt Futur 1? Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach: Dadurch sparen wir uns ein paar Wörter. Manche könnten denken, man ist einfach nur faul. Aber ich sage: Man ist effizient6! Dazu ein Beispiel: Ich gehe morgen zum Arzt (Präsens). Und jetzt lies bitte diesen Satz: Ich werde morgen zum Arzt gehen (Futur 1). Na, welchen Satz hast du schneller gelesen? Definitiv den ersten.
  • Mit dieser Zeitform kann man auch Ereignisse aus der Vergangenheit ausdrücken. Dafür gibt es zwei Bezeichnungen: historisches und dramatisches Präsens. Warum sollte man vergangene Ereignisse in der Gegenwartsform vermitteln? Das kann man doch auch mit den Vergangenheitstempora machen! Das stimmt. Aber: Mit dem Präsens kann man die vergangenen Ereignisse mehr betonen, wodurch wir uns in sie besser hineinversetzen7 können. Durch die Verwendung des Präsens wirken die vergangenen Ereignisse viel lebendiger und dadurch hat man das Gefühl, als ob man sie selbst erlebt. Ein Beispiel dazu: 2014 fahre ich nach Spanien und lerne dort eine Professorin kennen. Diese Form vom Präsens verwendet man hauptsächlich in der Literatur, deshalb heißt es auch dramatisches Präsens.
  • Und die letzte Bedeutung des Präsens ist generelles Präsens. Damit werden allgemeingültige Aussagen oder Fakten versprachlicht, die keinen bestimmten zeitlichen Bezug haben, zum Beispiel: Die Erde bewegt sich um die Sonne.

2.“Präsens ist kein bestimmtes Tempus!“ – Mythos oder Wahrheit?

Ja, du hast es richtig gelesen. In der Wissenschaft wird sehr viel darüber diskutiert, ob Präsens vielleicht atemporal ist. Das bedeutet, dass sich Präsens auf keine konkrete Zeit bezieht, sondern auf mehrere gleichzeitig. Alle, die Deutsch sprechen können, verbinden Präsens automatisch mit der Gegenwart. Dass diese Zeitform so viele verschiedene Bedeutungen haben kann, ist, denke ich, nur wenigen Menschen bewusst. Als Deutschlerner weiß man, dass mit dem Präsens Ereignisse in der Gegenwart bezeichnet werden, häufig auch in der Zukunft und allgemeingültige Aussagen. Dass damit aber auch das Vergangene ausgedrückt werden kann, haben nicht alle auf dem Schirm8. Das glaube ich zumindest. Und das ist genau der Grund, warum manche Sprachwissenschaftler das Präsens als „atemporal“ bezeichnen – weil es mehrere Zeiten gleichzeitig ausdrücken kann. Wenn Präsens atemporal wäre, dann müssten wir uns von der gewohnten Vorstellung verabschieden, dass das Präsens hauptsächlich für gegenwärtige Ereignisse steht. Unvorstellbar, oder?

päsens beispiel die zeit vergeht wie im flug
Kennst du die Redewendung „Die Zeit vergeht wie im Flug“?

Wie bildet man Präsens?

Diese Frage stellen sich alle Deutschlerner auf dem A1-Niveau: „Wie wird das Präsens gebildet?“ Im Vergleich zu den anderen Zeitformen, wie zum Beispiel Perfekt oder Futur 2, hat diese Zeitform tatsächlich die einfachsten Bildungsregeln, wenn man sie mit den Regeln des Perfekts oder des Futurs 2 vergleicht. Um einen Satz im Präsens zu sagen, muss man einfach nur einem Verbstamm die Endung -e, -st, -t oder -en hinzufügen. Das gilt sowohl für schwache Verben als auch für starke. Die Endung muss man abhängig davon wählen, in welcher Person und in welchem Numerus das Objekt steht, auf das sich ein Verb bezieht. Hier ist ein Beispiel mit „nach Hause gehen“. Du konjugierst das Verb „gehen“ im Präsens:

  • ich gehe nach Hause (1. Person, Singular);
  • du gehst nach Hause (2. Person, Singular);
  • er/sie/es geht nach Hause (3. Person, Singular);
  • ihr geht nach Hause (1. Person, Plural);
  • wir gehen nach Hause (2. Person, Plural);
  • Sie/sie gehen nach Hause (3. Person, Singular/Plural).

Kurze Lesepause: Wie sieht dein Alltag aus? Nimm dir ein paar Minuten Zeit und beschreibe ihn für dich selbst im Präsens. Vielleicht hast du auch Lust, deine Alltagsbeschreibung mit uns zu teilen? Dann schreibe sie gerne in die Kommentare. Wir freuen uns darauf!

Besondere Fälle

Nun zurück zur Bildung des Präsens. Dabei musst du ein paar besondere Verben im Blick behalten, denn manche von ihnen haben einige Veränderungen, wenn man sie im Präsens bildet. Vielleicht weißt du schon, welche Verben gemeint sind? Richtig, die Modalverben. Können, dürfen, müssen, mögen und wollen verändern ihren Stammvokal bei der Konjugation im Präsens. Diese Veränderung erfolgt nur in den ersten drei Personen (ich-,du-,er-/sie-/es-Formen) im Singular. Schauen wir uns das mal genauer an:

  • können: ich kann, du kannst, er/sie/es kann
  • dürfen: ich darf, du darfst, er/sie/es darf
  • müssen: ich muss, du musst, er/sie/es muss
  • mögen: ich mag, du magst, er/sie/es mag
  • wollen: ich will, du willst, er/sie/es will
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Ist dir bei den Formen in der 3. Person etwas aufgefallen? Ganz genau, die genannten Modalverben bekommen keine -t-Endung!

Es gibt noch eine Besonderheit, wenn man Sätze im Präsens bilden möchte. Wenn du mal starke Verben konjugieren möchtest, vergiss nicht, auch bei ihnen den Stammvokal in der 2. und 3. Person im Singular zu verändern:

  • helfen: du hilfst, er/sie/es hilft
  • laufen: du läufst, er/sie/es läuft
  • lesen: du liest, er/sie/es liest

Präsens – Übung

Wie wär’s mit einer kleinen Übung? Konjugiere Verben im Präsens!

  1. Er (fahren) in den Urlaub.
  2. Ich (können) mit dir später einkaufen gehen.
  3. Was (halten) du davon, wenn wir unseren Chef (anrufen)?
  4. Was (machen) ihr heute Abend? Ich (möchten) euch gerne zum Essen einladen.
  5. Heute (müssen) ich zur Arbeit. Ich (freuen) mich schon sehr darauf!
  6. Wie (schaffen) du es, immer positiv zu bleiben?

Wir hoffen, du konntest deine Fragen über Präsens mit Hilfe dieses Artikels klären. Falls du doch noch Fragen oder irgendwelche Anmerkungen hast, dann schreibe sie gerne in die Kommentare! 🙂

Lösung

  1. Er fährt in den Urlaub.
  2. Ich kann mit dir später einkaufen gehen.
  3. Was hältst du davon, wenn wir unseren Chef (anrufen)?
  4. Was macht ihr heute Abend? Ich möchte euch gerne zum Essen einladen.
  5. Heute muss ich zur Arbeit. Ich freue mich schon sehr darauf!
  6. Wie schaffst du es, immer positiv zu bleiben?
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Wortschatz

  1. Gegenwartsform: ein Tempus, das Ereignisse ausdrückt, die in der Gegenwart stattfinden
  2. eintönig: langweilig, zum Einschlafen
  3. Sprachwissenschaft: Lehre über die Sprache
  4. begnügen: genießen, in diesem Kontext: ausreichen
  5. von wegen: auf keinen Fall
  6. effizient: mit hoher Wirksamkeit, produktiv
  7. sich in etwas hineinversetzen: die Situation oder die Gefühle eines anderen Menschen gut verstehen, nachvollziehen
  8. etwas auf dem Schirm haben: an etwas denken
Was ist Präsens?

Präsens ist eine Zeitform, mit der man hauptsächlich gegenwärtige Ereignisse ausdrückt.


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Artikel von:

Aleksandra

Hinter dem Polarkreis aufgewachsen und Lehrerin aus Leidenschaft. Ich liebe Deutsch und die Berge!

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