Wie die meisten Sprachen bietet das Deutsche zahlreiche Möglichkeiten an, nicht nur Fakten zu präsentieren oder Situationen zu beschreiben, sondern auch eigene Emotionen und Meinungen auszudrücken. Ein wichtiges Mittel dazu stellt der subjektive Gebrauch der Modalverben dar. Wenn du gerade auf dem Schlauch stehst1, weil du nicht weißt, wovon hier die Rede ist, schaue dir das folgende Beispiel an:
- Tom war heute nicht in der Vorlesung. Er muss krank sein.
- Maria rief mich gerade an. Sie dürfte in 10 Minuten da sein.
- Meine Nachbarin will von den Anrufen ins Ausland nichts gewusst haben.
Solltest du die Beispiele oben übersetzen wollen, achte darauf, dass die Verben hier ihre objektive Bedeutung verlieren und dafür benutzt werden, um die Stellung des Sprechenden zu dem Geschehenen deutlich zu machen. Mit diesem Aspekt beschäftigen uns in diesem Artikel. Bleib dabei.
Modalverben mit subjektiver Bedeutung
Erst einmal vorab die Liste der Modalverben und ihre reguläre Bedeutung mit Beispielen:
Verb | Bedeutung | Beispiel |
---|---|---|
dürfen | Erlaubnis und/ oder Berechtigung | Maria darf bei der Prüfung das Wörterbuch benutzen. |
können | Fähigkeit und/ oder Möglichkeit | Maria kann gute Bewerbungen auf Deutsch schreiben. |
mögen | Wunsch | Maria möchte sich am Wochenende erholen. |
müssen | Notwendigkeit und/ oder Zwang | Maria muss vorher noch einkaufen. |
sollen | Aufforderung und/ oder Pflicht | Maria fragt Thomas, ob sie fürs Abendessen das Brot besorgen soll? |
wollen | Absicht und/ oder Wille | Maria will sich mit einer Freundin treffen. |
Alles klar soweit? Wenn nicht, kann ich dir den Artikel Modalverben – Sätze mit richtiger Bedeutung formulieren! empfehlen, in dem du dich mit dem Thema Modalverben vertraut machen kannst.
Hast du nun die objektive Bedeutung der Modalverben im Griff, können wir uns der subjektiven widmen. Dazu ist die Unterteilung in folgende zwei Untergruppen wichtig: Zum einen werden Modalverben benutzt, um die Vermutung (1) auszudrücken, und zum anderen, um (fremde) Informationen wiederzugeben und sich davon zu distanzieren (2).
(1) Subjektiver Gebrauch der Modalverben: Vermutung
Modalverben erlauben uns, eine Vermutung zu äußern und dabei zu zeigen, wie wahrscheinlich das Gesagte ist. Folgende Beispiele machen es deutlich:
Verb | Beispiel | Wahrscheinlichkeit |
---|---|---|
müssen | Der Student muss noch in der Bibliothek sein. | ca. 95 % |
müssen | Der Student müsste noch in der Bibliothek sein. | 80 % |
dürfen | Der Student dürfte noch in der Bibliothek sein. | 70 % |
können | Der Student kann noch in der Bibliothek sein. | 50 % |
können | Der Student könnte noch in der Bibliothek sein. | 40 % |
mögen | Der Student mag noch in der Bibliothek sein. | 30 % |
Beispiele aus der Tabelle lassen sich wie folgt in Sätze ohne Modalverb umschreiben, sodass dir der Sinn noch klarer wird:
- Der Student muss noch in der Bibliothek sein. = Der Student ist ganz sicher noch in der Bibliothek.
- Der Student müsste noch in der Bibliothek sein. = Der Student ist sehr wahrscheinlich noch in der Bibliothek.
- Der Student dürfte noch in der Bibliothek sein. = Der Student ist wahrscheinlich noch in der Bibliothek.
- Der Student kann noch in der Bibliothek sein. = Der Student ist vermutlich noch in der Bibliothek.
- Der Student könnte noch in der Bibliothek sein. = Der Student ist möglicherweise noch in der Bibliothek.
- Der Student mag noch in der Bibliothek sein. = Der Student ist vielleicht (aber unsicher) noch in der Bibliothek.
(2) Subjektiver Gebrauch: Distanzierung
Bei dieser Funktion geht es um Informationen aus dritter Hand, die wiedergegeben werden. Dabei ist der Sprecher unsicher, ob sie stimmen und möchte dies anhand der Sprache deutlich machen. Diese Funktion betrifft in erster Linie das Verb wollen und das Verb sollen.
Beispiele:
Beispiele:
- Der Student soll noch in der Bibliothek sein.
Bedeutung: Jemand sagt, dass der Student noch in der Bibliothek ist. Ich (der Sprecher) bin mir es aber nicht sicher.
- Der Student will noch in der Bibliothek gewesen sein, als ich anrief.
Bedeutung: Der Student behauptet, dass er noch in der Bibliothek war, als ich ihn anrief. Ich war aber nicht dabei und bin mir nicht sicher, dass es stimmt.
Wichtig:
Achte bitte darauf, dass das Verb wollen in der Regel mit dem Infinitiv Perfekt (auch Infinitiv II genannt) benutzt werden: will gewesen sein, während sollen regulär ein Infinitiv nach sich zieht.
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Wichtig: Achte bitte darauf, dass das Verb wollen in der Regel mit dem Infinitiv Perfekt (auch Infinitiv II genannt) benutzt werden: will gewesen sein, während sollen regulär ein Infinitiv nach sich zieht.
Subjektive Bedeutung der Modalverben – häufig gestellte Fragen
Welche Verben werden als Modalverben bezeichnet?
Zu den Modalverben gehören dürfen, können, mögen, müssen, sollen und wollen.
Was ist der Unterschied zwischen dem objektiven und dem subjektiven Gebrauch der Modalverben?
Beim objektiven Gebrauch handelt es sich um die reguläre Bedeutung des Modalverbes, die du auch in jedem Wörterbuch findest. Subjektiver Gebrauch der Modalverben impliziert eine Vermutung und/ oder eine persönliche Einschätzung2 des Sprechers beziehungsweise die Wiedergabe einer fremden Aussage und die Distanzierung dazu. Je nach Funktion werden unterschiedliche Modalverben eingesetzt.
Subjektive Bedeutung der Modalverben – dein kleiner Wortschatz
- auf dem Schlauch stehen: keine Ahnung haben
- Einschätzung, die: Perspektive